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Litigation PR - Recht haben und Recht bekommen ist nicht das Gleiche

Was haben Amanda Know, Jörg Kachelmann und Johnny Depp gemeinsam? Nicht nur die Haarfarbe. In diesem Beitrag erfahrt ihr, wie es mit gezielter Kommunikation gelingen kann, den Kopf aus der Justiz-Schlinge zu ziehen.

Quelle: Unsplash


Amanda Knox – der Engel mit den Eisaugen. Die Studentin Amanda Knox wurde im Jahr 2007 beschuldigt, eine Mitstudentin eiskalt ermordet zu haben. Sie wurde inhaftiert und im Dezember 2009 wegen Mordes zu 26 Jahren Haft verurteilt. Der Fall zog sich über mehrere Jahre hin. 2015 wurde sie dann in letzter Instanz freigesprochen.


Jörg Kachelmann, ehemaliger Wettermoderator wurde im Jahr 2010 der schweren Vergewaltigung und Körperverletzung beschuldigt. Der Fall erregte grosse mediale Aufmerksamkeit. Kachelmann wurde freigesprochen.

Amber Heard vs. Johnny Depp: Das ehemalige Paar sass sich im Jahr 2022 vor Gericht gegenüber. Wieso? Heard schrieb in einem von ihr verfassten Artikel in der Washington Post über häusliche Gewalt – ohne Depps Namen zu nennen. Depp fühlte sich angesprochen und verklagt seine Ex-Frau und die Washington-Post wegen Verleumdung. Es folgt eine mediale Schlacht, in der es Team-Amber und Team-Depp gibt. Depp wird schlussendlich freigesprochen.


Öffentlichkeitswirksame PR

Was haben diese Fälle gemeinsam? Sie alle wurden öffentlich ausgetragen und sie alle haben sich die Macht geschickter und öffentlichkeitswirksamer PR zunutze gemacht – der sogenannten Litigation PR.

Wikipedia beschreibt es wie folgt: «Litigation-PR (...), auch strategische Rechtskommunikation oder prozessbegleitende Öffentlichkeitsarbeit ist eine Form der Pressearbeit, bei der die Kommunikation nach aussen vor, während und nach juristischen Auseinandersetzungen gesteuert wird. Ziel der Litigation-PR ist es, die juristische Strategie der beteiligten Staatsanwälte und Verteidiger zu unterstützen, das Ergebnis der juristischen Auseinandersetzung mit Hilfe der Öffentlichkeit zu beeinflussen und gleichzeitig Schäden an der Reputation des Mandanten zu vermeiden. Sie ist verwandt mit Reputationsmanagement und Krisen-PR.»

Mit Ligitation-PR werden also Prozesse von öffentlichem Interesse mit Methoden der strategischen Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit proaktiv begleitet, um die öffentliche Meinung zu beeinflussen. Denn selbst, wenn eine Person oder ein Unternehmen schlussendlich freigesprochen wird, kann die öffentliche Meinung ein vernichtendes Urteil gefällt haben. Dieses bleibt in vielen Fällen hartnäckig haften und kann so einen verheerenden Reputationsschaden verursachen.

Die Schuld anderen in die Schuhe schieben


Dabei müssen Informationen und Behauptungen keinesfalls korrekt sein. Das zeigte sich zum Beispiel im Swissair-Prozess zum Grounding der Airline im Jahr 2001. Die ZHAW beschreibt den Fall im entsprechenden Blog-Post wie folgt: «In diesem Fall waren die Vorwürfe, wonach die Bank die Hauptschuld am Grounding trage, von den Medien und der Öffentlichkeit als Fakt wahrgenommen worden, obwohl sie im Nachhinein als weitgehend ungerechtfertigt entpuppten.»

Das Prinzip von Ligitation-PR ist nicht unbedingt ein neues Phänomen. So sagte der 1561 geborene englische Philosoph Francis Bacon bereits «Aliquid semper haeret» - was so viel heisst wie «verleumde nur dreist, es bleibt immer etwas hängen».


Während sich die Beeinflussung der öffentlichen Meinung im 16. Jahrhundert wohl vor allem auf Mund-zu-Mund Propaganda, Briefe und Zeitungsartikel beschränkte, stehen heute weitaus mehr Möglichkeiten und Kanäle zur Verfügung. So werden klassische Medien für Ligitation-PR eingesetzt, aber auch Social Media spielt eine immer grössere Rolle. Fachpersonen beschreiben es so «Litigation-PR formuliert Schlüsselbotschaften, die das Spekulationen heraufbeschwörende „Kein Kommentar-Statement“ überflüssig machen und Dementis ausschließen, die Schuldzuweisungen provozieren. Entscheidend ist das erste Statement, das die Position des Betroffenen deutlich macht. Die erste, schnelle Stellungnahme sichert die Deutungshoheit der öffentlichen Auseinandersetzung auf Seiten des Mandanten und beugt Gerüchten vor. Litigation-PR reduziert Komplexität und bereitet die juristische Materie klar und nachvollziehbar auf. Der inhaltliche Kern des Streitfalles fließt zum richtigen Zeitpunkt in Hintergrundgespräche, Statements, Pressemitteilungen oder in Websites ein.»

In einer Welt, in der Budgets der Medienhäuser immer kleiner werden, Journalisten immer weniger Zeit haben, umfassend zu recherchieren, ein Social Media Post innert kürzester Zeit Millionen von Views generieren kann, sind sogenannte «Schlüsselbotschaften» mit Vorsicht zu geniessen.

Mein Rechts-Dozent pflegte immer zu sagen: Recht haben und Recht bekommen, ist nicht das Gleiche. Recht hat er.

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